Sagen & Erzählungen



 

DER SCHATZ UNTER DEN BURGTRÜMMERN

Ums Jahr 1200 stand eine trotzige Burg auf dem Ruppberg. Der Burgherr Rupperts war ein schlimmer, wüster Gesell. Stieß der Wächter auf dem Turme in sein Horn, dann stürmte er mit seinen Knechten den Berg hinab ins Tal, überfiel die Kaufleute, die mit ihren beladenen Wagen friedlich des Weges gefahren kamen, plünderte sie aus, nahm ihnen Hab und Gut weg und setzte sie im dunklen Burgverließ gefangen. Wollten die Angehörigen ihre Männer und Söhne wiederhaben, so mussten sie ein hohes Lösegeld zahlen. Im Laufe der Jahre hatte Rupperts auf diese Weise einen großen Schatz von Geld und wertvollem Schmuck angesammelt.

Eines Tages beklagten sich freigelassene Kaufleute beim Grafen Gebhard von Nordeck über den Räuber. Der kam mit vielen Reisigen und Knechten, erstieg den Ruppberg und belagerte das Raubnest. Nach kurzer Zeit brach großer Hunger in der Burg aus, und der Burgherr musste sich mit seinen Mannen ergeben. In der letzten Nacht versteckte er seinen Schatz in einer Ecke seines tiefen Kellers. Er hoffte, mit dem Leben davon zu kommen und wollte ihn dann später holen. Damit ihn niemand finden sollte, sprach er einen Fluch aus. Von Stund an bewacht der Teufel als schwarzer Höllenhund den Schatz, an dem soviel Blut unschuldig erschlagener Menschen klebte.
Am nächsten Tag wurde die Burg erobert und vollständig zerstört. Kein Stein blieb auf dem anderen. Rupperts wurde in lebenslängliche Gefangenschaft geführt. Im Burgverließ des grafen Nordeck fand er nach Jahren den Tod, ohne da Licht des Tages wieder gesehen zu haben.

Niemand hatte seinen Schatz gefunden. Der lag wohlversteckt tief im Ruppberg und wurde vom Teufel wohlbehütet.
Viele Jahre waren seitdem vergangen. An langen Winterabenden erzählten die Alten der Bewohner der umliegenden Ortschaften den Jungen vom großen Schatz im Ruppberg . Nie wollte die Mär verklingen. Immer und immer wieder wurde sie erzählt. Manch einer versuchte sein Glück, nahm Hacke und Grabscheit und grub und suchte. Aber keiner fand, wonach er forschte. Der Berg gab sein Geheimnis nicht preis.
Eines Tages las ein Mehliser Mann in einem alten Zauberbuche:
„So man einen verwunschenen, vergrabenen Schatz heben will, muß man in der Johannisnacht um 12 Uhr einen Zauberspruch sagen und dem Höllenhund ein blondes Knäblein mit Namen Johannes, das noch nie gelogen hat, und einen roten Hahn vorwerfen. Dann lässt der Hund vom Schatz und man kann ihn heben. Doch muss man dabei ganz still sein und darf keinen Laut von sich geben.“
Da packte den Mann die Gier nach dem Golde. Sie wurde so stark, daß er ein solches Knäblein suchte. Er fand auch eines, das eben erst auf die Welt gekommen war. Einem roten Hahn rupfte er kurzerhand die einzige schwarze Feder aus. In der Johannisnacht stahl er der Mutter das Kind. Mit ihm und dem Hahn kletterte er auf den Ruppberg. Als es in Mehlis Mitternacht schlug, murmelte er den Zauberspruch.
Da ging ein Krachen durch den Berg. An seiner Stelle tat sich ein großes Loch auf. Darin erschin eine eiserne Pfanne mit vielem Golde. Daneben stand der große, grausige, schwarze Höllenhund mit feurigen Augen und schnaubte gar schrecklich. Das Gold glänzte und gleißte im Mondenschein.
Da warf der Mann das Kind und den Hahn vor das furchtbare Tier, fasste den Ring, der am Stiel der Pfanne war und wollte diese ganz herausziehen. Im gleichen Augenblick geschah etwas Seltsames! Auf dem Berg wurde es lebendig. Zuerst kamen bleiche Mädchen, die mit weißen Schleiern angetan einen Reigen tanzten. Dann kamen Soldaten ohne Köpfe vorbeimarschiert. Als die weg waren, stand da ein Rad mit vielen spitzen Nägeln. Darauf war ein lebender Mann geschnallt. Es drehte sich. Der Mann schrie vor Schmerzen laut auf. Jetzt kam ein vollbeladener Heuwagen ganz schief angefahren. Er rollte nur auf zwei Rädern. Plötzlich neigte er sich, als wollte er sich auf den Schatzgräber stürzen. Der tat vor Angst einen Schrei.
Da ertönte wieder ein fürchterliches Krachen. Die Pfanne verschwand mit dem Gold und dem Hunde in der Tiefe. Der Berg schloß sich. Der Mann war allein. Neben ihm lag das wimmernde Knäblein . Nur der Hahn war weg. In der Hand hielt der Mann noch den Ring, der abgesprungen war. Da ergriff ihn Angst und Grausen, und er eilte nach Hause.Er wurde krank. Dem Pfarrer erzählte er sein Erlebnis und gab ihm den Ring. Nach 3 Tagen starb er. Der Ring soll heute noch in der Mehliser Kirche hängen.
Niemand hat wieder den Schatz heben wollen.


 

DIE JUNGFRAU UND DER KÖHLER
Vor wenigen Jahren lag hinter dem Ruppberg eine Köhlerstätte. Der letzte Köhler war weit und breit bekannt. Einmal war er ein lustiger Geselle, der immer einen Sack voll heiterer Schnurren, schauerlicher Sagen, Mären und ergötzlicher Geschichten bereit hatte, zum anderen wegen seiner "Köhlerbeebe". Das war eine Schnitte selbstgebackenen, kräftigen Schwarzbrotes, welches er auf den glühenden Holzkohlen röstete und dann mit dem feinsten Schmer vom selbstgeschlachteten Schwein bestrich. An schönen Tagen wanderten viele Mehliser Einwohner hinauf zu dem schönen Fleckchen Erde und ließen sich das höchst einfache, aber schmackhafte Frühstück gut munden.
Für die Kinder war die kunstlose Rindenhütte des Mannes mit dem breiten Hut über dem geschwärzten Gesicht, aus dem die roten Lippen, die gesunden Zähne, das Weiß des Augapfels und das heitere Blau der gutmütigen Augen leuchteten, ein besonderer Anziehungspunkt, der nach ihrer Meinung viele Geheimnisse bergen musste. Das Schönste aber war das Köhlergeläut. Über der Hüttentür hingen einige gerade Kohlenstücke, eines länger als das andere, die genau abgestimmt waren und beim Aneinanderschlagen ein harmonisches Geläute erklingen ließen.
Kam plötzlich ein Regen, oder hatte der Köhler gerade nichts zu tu, dann gab er aus seinem Märenschatze ein Stücklein zum besten. Am Schlusse erzählte er stets die Geschichte von der weißen Jungfrau:
"U zont muß ich euch noch die Geschicht vu der weiß Frah verzehl. Mei Ellervater un mei Vater hun se gesie , un ich has a derlabt.

Da kum muinchmoil öm dn Mittag röm , a e moil des Abeds , e wei-iß Gastaalt n Roppbarig erah . Stomm wi e Fiisch ging se dorich de Bääm , guckt niet lei-inks , nare ömmer geradeauis . Me hüert se niet, me saach se bluis . Bar se saach , wor ömmer so betäppert , daß er siich niet fun Fläck konnt geruhr . Me konnt niet geschwatz on niet gebläck , s Mauil owr ein bi verstei-inert . Me moßt nar ömmer hiklotz , bis se widder en dn Bämmern verschwonn woer . Nacher ging a dr Alb fu ei-inn . Un weßter , bar das es? Das es e fein Ritterfräulein auis der all Ruppertsburg , villei-icht e Mäle fun all Rupperts. Di hoit emoil e bües Sönn getue un doederwäge es se verwönscht worrn . Nu mosse bis zum jöingste Tag stomm un stell als e wei-iß Jauingfrah öm dan Roppbarig erömm ge-e . Odr es mößt se ei-iner derlües , abr bi me das macht, das weiß ich niet. Ue -e weßts a niet . No, da mössese me halter lauif laß.”
Regelmäßig nahm dann der Köhler einen tüchtigen Schluck aus der Branntweinbuttel, reichte sie gastfreundlich jedem seiner Zuhörer und sah durch die Tür hinaus.
„'s rähnt nimmi-e “, sagte er und ging wieder an seine Arbeit.